Artikel von Endrik Baublies in der Laher Zeitung vom 28.01.2020
Das Experiment ist gelungen: Ein Sonderkonzert namens „Stille Skulpturen“ der Lahrer Stadtkapelle und des Freiburger „Ensemble Aventure“ hat in der Mensa des Max-Planck-Gymnasiums den verdienten Beifall erhalten.
Das Stück „Pageant“, mit dem die Stadtkapelle das Konzert eröffnete,
stimmte die Zuschauer auf das ein, was da noch kommen würde. Die Musiker
spielten hier das erste Mal Grenzen der sinfonischen Blasmusik an, die
sie danach übertraten – gelegentlich. Ungewohnt war ein Graben zwischen
den jeweils zwei Reihen der Zuschauer, während das Orchester noch
klassisch beisammen stand. Das löste Adrian Nagel, der Schöpfer von
„Ausstellung II“ auf: Das Ensemble bildete fünf Gruppen, die sich auf
der umlaufenden Galerie im Raum zwischen den Zuschauern und hinter den
massiven Blöcken inmitten der Mensa verteilten. Eine Gruppe spielte
einen Ton an und gab ihn an eine andere Gruppe weiter.
Jetzt
waren die Besucher gefragt, es galt, wie es die Stadtkapelle vorgemacht
hatte, den eigenen Raum zu verlassen. Wo hörten sich die Gruppen wie an?
Da gab es, je nach Standpunkt, einige Unterschiede. Was zum einen an
der Verteilung der Gruppen im Raum lag, zum anderen an der Größe der
Mensa samt den massiven Türmen inmitten des Raums.
John
Cage hat die Kompositionstechnik so revolutioniert, wie vor ihm Arnold
Schönberg mit der Zwölf-Ton-Musik oder Ludwig van Beethoven, der in der
Epoche der Wiener Klassik einen ganz eigenen Weg gegangen war. Bei den
„Sculptures Musicales“ des Briten hatte Reed als Leiter der Stadtkapelle
den Zufall mitbestimmen lassen: Die Länge der einzelnen Partien hatte
der Dirigent ausgewürfelt. Die Reihenfolge, wann welche Gruppe wo im
Raum mit verschiedenen Instrumenten spielte, hatte das Los entschieden.
Die
Art, wie die Musiker auf den traditionellen Instrumenten Töne
erzeugten, kontrastierte mit anderen Gegenständen, die zum Klingen
gebracht wurden. Die Klangkörper als Skulpturen“ waren allerdings bei
Proben im Vorfeld genau arrangiert worden. Genauso wie die Pausen –
Stille – dazwischen.
Bei „Silency my Soul“ von Fransisco
Feliciano nach einem kurzen Text von Rabindranath Tagore bewegten sich
die Musiker im Raum, bis sie am Ende wieder ihren Platz vom Beginn
eingenommen hatten.
Ein grandioser Abschluss waren die „Irdischen
Tänze“ von Gilead Mishory. Das Ensemble Aventure zeigte dabei, wo
klassische Musik Grenzen der Harmonie und Melodik überschreiten kann und
darf. Ein überbordender Rhythmus, den Reed mit Trommeln und Xylofon
bediente, trat in einen spannenden Wettkampf mit Stühlen und Steinen,
die andere Mitglieder des Ensembles „spielten“. Bei aller ausufernden
Klangfülle der Instrumente hielt der Rhythmus die „Irdischen Tänze“
insgesamt beisammen und auf dem Boden der Mensa.
Am Ende dankte
Reed den Gästen – es waren mit gut 100 Zuhörern mehr gekommen, als man
erwartet hatte – und den Musikern der Stadtkapelle, die diesem
ungewohnten Weg mit ihrem Dirigenten gegangen waren.
Es wäre
schön, wenn es diese Art Wagnis wieder geben würde. Die Mensa bietet da
sicher noch viele Möglichkeiten, die man ausloten kann. Der Anfang war
gewagt und hat sich für alle gelohnt.